Meta-Sprachspiel

Übers Schreiben zu schreiben ist, wenn man schreibt, ja ein beliebter Zeitvertreib. Es hat etwas sehr angenehmes und beruhigendes, so ein kleiner Text nur über das Schreiben. Der Text sagt dann nämlich ganz deutlich: ich bin nur klein, ich bin nur ein Text ‚darüber‘, ich selbst bin gar kein Schreiben, ich bin ganz schüchtern, ich stehe mit gesenktem Kopf und Blick in der Ecke und schiele höchstens mal schräg nach oben, um zu sehen, wer mich da betrachtet, mich armen, kleinen Text. Der Text meint damit: ich bin gar kein ‚richtiger‘ Text, für mich gelten keine ästhetischen Maßstäbe, ich muss gar keine ‚Kunst‘ sein, ich muss nicht schön sein, ich bin nur ein klitzekleiner Meta-Text und stehe außer Konkurrenz. Deshalb ist das Schreiben übers Schreiben so nett: der Schreiber hat das Gefühl, er könne gar nichts falsch machen, der Text ‚gilt‘ ja nicht, ist ja alles nur ein Spiel, nur eine Probe, nur ein Experiment, nicht im Ernst des Schreibens angekommen. Und während man so einen Text schreibt, muss man keinen anderen schreiben, der sich hoch aufrichten und gerade hinstellen müsste, Brust raus und rufend: hier bin ich, Kultur, Kunst, großartig, kreativ, neu und einzigartig! Vielleicht deshalb schreiben viele, die schreiben, so gern und immer wieder übers Schreiben, ich auch.

Wie ist das also mit mir und dem Schreiben? Was hat mein kleiner, verschüchterter, in der Ecke kauernder Text dazu zu sagen?

Dass das eine schwierige Sache ist, zwischen uns, dem Schreiben und mir. Dass ich früher viel geschrieben habe, täglich, seitdem ich sechzehn war, dass es nur so aus mir heraussprudelte und ich in der Schülerzeitung veröffentlichte und gelesen und gelobt wurde und genau wusste, in jedem Moment meines Lebens und Atmens die absolute Gewissheit hatte: das ist es, was ich einmal machen werde und will und muss, das und nichts anderes.

Ich bin mir inzwischen sicher, dass das nichts Außergewöhnliches ist, dass es vielen so geht, dass sie gerne schreiben und dann irgendwann damit aufhören, einfach so. Aber das macht es um keinen Deut besser.

Und was war es bei mir, warum nur habe ich aufgehört? Keine einfachen Antworten. Es tröpfelte so aus. Da war eine Konkurrenz zu anderen, die auch schrieben und die ich damals nicht aushielt, die mich hemmte statt beflügelte. Da war – so lächerlich das auch klingen mag – mit dem Schulabschluss auch das Wegfallen der Schülerzeitung und damit für mich das Wegfallen des Veröffentlichens, des Gelesen-, Wahrgenommen- und Gelobtwerdens. Irgendwann mal war da keiner mehr, dem ich meine Texte zeigen konnte und wollte. Und dann hatte es klammheimlich aufgehört, das Schreiben, einfach so.

Es war weg und es hinterließ sehr wohl eine Lücke. Manchmal das Gefühl, nur noch ein halbes Leben zu leben. Einen Schmerz, irgendwo. Ein Gefühl, dass ich mich verraten hatte, mein früheres Ich und meine Träume. Ein Gefühl der Leere. Und jedes Mal diese Trauer, wenn mich jemand aufs Schreiben ansprach oder selbst von seinem Schreiben sprach, ein Stechen und meine großen Augen.

Ich hatte die Hoffnung aufgegeben, fast. Ich habe gelernt, den Schmerz und die Leere auszuhalten. Manchmal habe ich Versuche gestartet und mich sofort wieder so unglaublich wohl gefühlt beim Schreiben, dass ich vor Freude hätte weinen mögen. Und trotzdem habe ich diese Versuche immer wieder sehr bald abgebrochen.

Ob es diesmal anders sein wird? Ich habe letzte Woche angefangen einen Text zu schreiben – der immer noch nicht ganz fertig ist – und es war ein unheimliches Glücksgefühl, es zu tun. Bei jedem Wort, bei jedem Satz dachte ich nur: was für ein Genuss, welche Freude, es geht doch, es geht, wieso dachte ich so lange, dass es nicht mehr geht? Da entsteht ja etwas, eine Geschichte, meine Geschichte und ich weiß noch nicht ob sie gut wird, aber ich liebe sie, jetzt schon. Ans Verbessern des Textes habe ich mich noch nicht gewagt, die Furcht, dass ich ihn beim Wiederlesen schlecht, unbeholfen, meinen Ansprüchen nicht genügend finde, ist doch recht groß. Ich hoffe, es gelingt mir.

Und schon als der Text erst angefangen war, habe ich Marc gefragt, ob er mir nicht einen Blog basteln könne. Einfach irgendetwas, wo ich meine Texte veröffentlichen könnte. Wo meine Texte vielleicht auf Menschen träfen, die sie läsen oder überflögen und vielleicht den einen oder anderen Kommentar hinterließen. Der Blog übersteigt meine Erwartungen, sehr hübsch finde ich ihn und passend für mich und der ein oder andere Leser hat sich doch tatsächlich schon hierher verirrt. Und obwohl ich eher zurückhaltend und zurückgezogen bin, war ich gestern sogar schon auf meinem ersten Bloggertreffen und habe mich sehr wohl gefühlt!

Ich bin guter Hoffnung. Dass das Schreiben diesmal nicht wieder aufhört. Ich weiß nicht genau, was das hier werden wird, wohin es mich führen wird, aber ich weiß, dass ein Aufhören nur sehr schwer erträglich wäre.

Jetzt ist mein kleiner Text über das Schreiben doch recht lang geworden und sonnt sich mit jedem Wort in seiner Kunstlosigkeit, aber das ist auch gut so. Er ist nur hier, um Mut zu fassen, aufdass der nächste sich aus seiner Ecke traut.

Nachtrag: den erwähnten Text kann man inzwischen übrigens hier lesen. 

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