Zwischenbilanz

Dieser Beitrag nimmt teil am Blog-Karneval für Autorinnen und Autoren (hier schon erwähnt, beginnt heute und geht bis zum 1. November, eingeladen wurde von Anni Bürkl/TexteundTee), auch wenn ich (noch) die Befürchtung habe, dass dies ein recht einsames Fest werden wird… Es werden noch dringend weitere Gäste gesucht…

Wie dem auch sei und eigentlich ganz unabhängig davon, ich möchte es nutzen, nach einem guten Monat Blog-Lebenszeit eine Zwischenbilanz zu ziehen und mir Gedanken darüber zu machen, ob ich überhaupt ‚teilnahmeberechtigt‘ bin. Denn die Einladung richtete sich ja an ‚Autorinnen und Autoren‘ und diese lassen sich als Verfasser von ‚Werken‘ definieren. Sollte ich jetzt also plötzlich eine Autorin sein?

Ich glaube nein. Ich habe nichts veröffentlicht, noch nicht einmal in einer Zeitschrift, einer Anthologie oder ähnlichem, man kann keinen Text von mir gedruckt erwerben. Meine wirklich einzige ‚Veröffentlichung‘ – wenn man das so nennen kann – findet sich im Online-Magazin mindestenshaltbar. Und außerdem: ‚Werk‘ ist etwas doch frühestens ab einem Roman, einem Lyrikband. Einem gedruckten, schönen Buch jedenfalls, oder? Auf keinen Fall ein paar Blog-Einträge, ein paar Geschichten und Gedichte wie bei mir…

Aber selbst wenn ich schon einen Roman in irgendeinem Verlag untergebracht hätte, würde ich mich dann Autorin nennen wollen? Darüber bin ich mir unsicher. Wahrscheinlich würde ich es kaum aussprechen (nur manchmal ganz leise, bei besonders übermütiger Laune oder nach einem Glas Sekt). Noch weniger natürlich die ehrwürdige Bezeichnung ‚Schriftstellerin‘. Das hat damit zu tun, dass ich denke, dass man Autorin oder Schriftstellerin kaum ’sein‘ kann. Mal abgesehen von den Momenten, in denen man bei der Arbeit, beim Schreiben ist. Aber dann kann man nicht gleichzeitig darüber reden und sich so nennen.

Ich glaube, dass man sich diese Bezeichnung unentwegt erarbeiten müsste und dass sie niemals komplett und unablässig gilt, dass sie immer wieder aufgefrischt und wachgeküsst werden muss, durch schreiben und wieder schreiben. Schriftstellerin kann man eigentlich immer nur ‚werden‘. Ab wann man sich dann meiner Meinung nach wirklich so nennen dürfte, kann ich kaum abschätzen. Wenn man vom Schreiben leben kann, wenn man den Deutschen Buchpreis oder den Literaturnobelpreis bekommt? Nein, wahrscheinlich doch schon früher, aber ich bin mir unsicher.

Wenn ich es bezeichnen sollte, was ich da tue, dann würde ich mich niemals dazu vergreifen zu sagen, ich sei Autorin. Hybris das. Ich würde immer sagen: ich schreibe. Ich schreibe. Ich schreibe Texte. Und dann kann jeder selbst beurteilen, ob das Understatement oder euphemistisch ist oder die Sache in etwa trifft.

Ich schreibe also. Ich schreibe wieder. Ich schreibe wieder und habe dies vor allem diesem Ort hier zu verdanken, diesem Blog. Ich habe lange nicht geschrieben, Texte in Schubladen gehütet, Texte angefangen und nie vollendet, Sätze hingekritzelt aber nicht verwendet, habe Worte ungeschrieben sterben lassen in meinen Gedanken. Seit es diesen Blog gibt – und das ist jetzt erst ein guter Monat – schreibe ich fast täglich, schreibe oder verbessere zumindest Texte, notiere Überlegungen und Ideen, schreibe. Plötzlich ist alles anders, plötzlich ist alles gut.

Manchmal glaube ich, man müsste es mir ansehen, dass ich wieder schreibe, wie man nach dem ersten Mal Sex glaubt, dass die Menschen einem das innere Strahlen ansehen müssten. Ich bin seit einem Monat ein anderer Mensch, ich habe das Gefühl, mich stark verändert zu haben. Ich habe mich noch nicht getraut, andere zu fragen, ob sie diesen Eindruck teilen, aber das spielt auch keine Rolle.

Es wirkt vielleicht pathetisch, aber ich bin endlich wieder Ich durch das Schreiben, ich habe mich wiedergefunden. Ich weiß endlich wieder was ich will und was ich mir wünsche, wohin ich will, wovon ich träume. Ich weiß endlich wieder, dass ich zu etwas gut sein könnte auf dieser Welt. Ich hatte meine Träume und Ideale verloren und am Sinn des Lebens gezweifelt. Jetzt zweifle ich immer noch, hin und wieder, aber es ist nicht mehr so wichtig. Alles ist ein kleines bisschen weniger wichtig.

Weil ich träume, bin ich nicht. Ein für mich unvergesslicher (und natürlich René Descartes umkehrender) Satz aus dem Film Léolo, den ich gerne abwandeln würde: weil ich schreibe, bin ich nicht. Ich schreibe, also kann ich alles sein, alles tun, die klassische Weltflucht. Und doch gleichzeitig: weil ich schreibe, bin ich ich. Die klassische Selbstfindung.

Und das zusammen ergibt dann Texte, Texte die teilweise hier zu lesen sind. Und ich bin erstaunt: sie werden gelesen. Jeden Tag kommen ein paar Besucher auf meine Seite, einige haben meine Texte sogar abonniert und lesen hier regelmäßig. Die Statistiken sagen mir, dass jeder zweite Leser wiederkommt, mehrmals. Das ist ein gutes Zeichen, das ist schön, denn es bedeutet doch, dass sich ein paar Menschen da draußen für meine Texte interessieren, sie wahrnehmen, sich vielleicht an ihnen erfreuen oder sich über sie ärgern, wie auch immer. Jedenfalls mehr davon wollen.

Was man noch lernen kann: ich habe stille Leser, die Kommentarfunktion hier wird nur selten genutzt. Manchmal finde ich das schade, aber manchmal – wenn ich selbst einen fremden literarischen Text im Internet lese – dann geht es mir auch ganz genau so, dann will ich nichts dazu schreiben, warum auch immer, dann genieße ich und halte meinen Mund. Und manchmal kommt ja ein Kommentar: ‚gefällt mir‘ oder ‚zum Gänsehaut bekommen‘ oder ‚der Blog wird von mir ganz viel gelesen‘ oder ‚guter Text‘ oder einfach nur ‚danke‘ oder ein Link auf meine Seite. Dann freue ich mich natürlich besonders. Und das, zusammen mit dem Wissen, dass hier Menschen wirklich meine Texte lesen, reicht dann auch schon wieder, damit ich mich tatsächlich hinsetze, zum Füller greife und schreibe. Danke dafür, liebe Leser, liebe Kommentatoren, liebes Blog und danke lieber Marc.

Um vielleicht nochmal auf die Fragen des Blog-Karnevals nach dem Verhältnis Autor-Internet zurückzukommen: ohne Internet wäre ich noch nicht einmal annähernd auf dem Weg, eine Autorin zu ‚werden‘. Ohne Internet/Blog würde ich nicht schreiben. Und ja, es gelingt, Leserschaft für meine Texte zu finden, nicht sehr viele, aber ehrlich gesagt habe ich eher mit noch weniger gerechnet. Für mich ist das ein großer Erfolg, wenn ein paar Menschen täglich hier hereinschauen. Von ‚Business‘ ist das alles aber natürlich sehr, sehr weit entfernt und ich bin mir sicher, dass das auch so bleiben wird (dies nur, um die Frage zu beantworten). Und noch eine Frage: ich nutze das Internet im Schreiballtag natürlich als Recherchemedium zu allen möglichen Fragen und zweitens eben diesen Blog als Motivation überhaupt zu schreiben.

3 Comments for “Zwischenbilanz”

van veen

says:

Mir scheint immer, dieser Nimbus der Schriftstellerei, all die Ehrfurcht und das demütige ich schreibe auch ein bisschen, aber es ist nicht der Rede wert sei vor allem eine Spätfolge der bürgerlichen Furcht vor der Unzähmbarkeit des menschlichen Sprechens (am Ende: Der Kunst.)
Und die neue Schnoddrigkeit, die jetzt die alte Suhrkampliteratur-Bestaunung abgelöst hat, diese Haltung mit ihrem lachhaften Anspruch auf Anrüchigkeit, daß Literatur vielleicht ein Geschäft sei, das man an spezialisierten Schulen lernen und dann betreiben könne, sei ebenso ein Zähmungsversuch im Zeitgeistsinne wie es die bürgerliche Einforderung des Schönen war.

Ich glaube, daß es ein Irrtum ist, die Schriftstellerei für einen Beruf zu halten, eine Berufung plus Zielstrebigkeit. Sie ist das, was denen passiert, die lesen und dabei die Finger nicht von der Tastatur lassen können und glücklich sind mit Büchern; manche leben davon, andere leben davon, so zu tun, als sei es so bei ihnen. Wer das aber kennt und sich gestattet, ist dabei, ob er will oder nicht, der Rest ist kollektive Neurose. Man muß sich doch verirren in der Literatur (die nur unser Sprechen ist), nicht finden.

Sprachspielerin

says:

Wenn ich so große Ehrfurcht hätte und so demütig wäre, dann würde ich mich gar nicht zu schreiben getrauen. Ob das nun bürgerlich wäre oder nicht. Wenn ich dächte, es sei überhaupt nicht der Rede wert, dann würde ich mein Schreiben wahrscheinlich nicht öffentlich zugänglich machen. Und sich in Literatur verirren: ich bin dabei, schon lange…

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