Keinen Menschen kenne ich länger als die Beste, höchstens Verwandte. Ich lernte sie kennen, als meine Familie in die Wohnung neben der Familie der Besten zog, wir waren noch nicht drei und seitdem unzertrennlich. Wir teilten den Weg zum Kindergarten und das Spiel am Nachmittag, wir teilten Puppen und Bälle und Prinzessinnenkostüme, wir teilten das Hüpfgummi und den Hinterhof zum Ballspiel, wir teilten die selbsternannten Höhlen unter den Tischen und das Schiff, das mein großer Korb für uns war.
Wir teilten den ersten Schultag und fortan die Klasse der Grundschule, wir lernten gemeinsam schreiben, bekamen Michael Ende vorgelesen, wir fuhren gemeinsam ins Schullandheim und manchmal auch zusammen in die Ferien. Erst dann, zum Gymnasium, trennten sich unsere Wege und wir gingen jeden Morgen in verschiedene Teile der Stadt. Wir entfernten uns in manchen Zeiten voneinander, in anderen waren wir uns näher, aber wir verloren uns nie, die eine war immer da, für die andere, irgendwie.
Ich erinnere mich an den Tag, als wir uns zufällig vor der Haustür trafen und sie mir in Tränen in die Arme fiel, weil ihr Vater gerade gestorben war und ich sie hielt und dann wieder zurückgab in die Arme ihrer Familie. Eines werde ich mir nie verzeihen: Ich hätte nicht gehen sollen, in diesem Sommer, wohin wir beide hatten gehen wollen, auf die Sprachreise nach Frankreich, ich hätte bleiben sollen, auch wenn sie nicht sprechen wollte, ich hätte bleiben sollen und ihrer Trauer lauschen, ihr meine Schulter bieten und Tee kochen. Ich werde mir nicht verzeihen, dass ich gegangen bin, aber selbst das hat die Beste wohl schon getan.
Für längere Zeit fortzugehen, ins Ausland, ist ja meist sehr aufschlussreich, man sieht schnell, welche Freundschaften bleiben, welche Kontakte halten und wer einen vergisst, für ein Jahr. Die Beste hat mich nicht vergessen, keinen Tag lang, sie stand mir bei. Ich erinnere mich an den Tag, als mich eine Nachricht von ihr erreichte und ich sie aus der erstbesten Telefonzelle in Italien anrief, die Telefonkarte war leer als ich auflegte und sie ein wenig getröstet hatte, so weit es möglich ist. Die Beste war und ist es umgekehrt, die mir immer zuhört, was auch immer ich ihr erzählen möchte.
Wir sind sehr verschieden, wir teilen kaum die Geschmäcker für Essen, für Kleidung, für Düfte, für Männer und Musik, aber wir sehen es der anderen nach, wenn sie nicht unsrer Meinung ist. Unser Temperament unterscheidet sich und vielleicht deshalb ertragen wir uns nicht für längere Zeit ununterbrochen, dann gehen wir uns auf die Nerven, aber wir haben es auch schon lange nicht mehr versucht. Wir gehen nicht im gleichen Schritt durchs Leben, wir gehen in unterschiedliche Richtungen, aber dennoch irgendwie parallel zueinander, die andere immer im Augenwinkel. Seit den Kindergartentagen gehört die Beste zu meinem Leben, es wäre gar nicht vorstellbar ohne sie.
Manchmal verstehen wir nicht, wovon die andere redet, wie sie lebt, wen sie liebt und was sie will im Leben, aber wir hören ihr zu und versuchen zu begreifen. Das Experiment gelingt nicht immer, aber meistens. Manchmal haben wir keine Zeit füreinander und sehen uns lange nicht, aber das macht nichts, sobald wir wieder zusammensitzen. Ich weiß, dass die Beste mir verzeiht, wenn ich mich nicht melde und anderes, ich bin mir ihrer sicher. Und wenn sie Sushi machen will, dann weiß sie, wer ihr hilft, wenn sie zu Ikea will, zum dritten Mal in einem Monat, dann weiß sie, wer sie begleitet.
Sie ist die Schwester, die ich nicht habe, sie ist die, die ich nachts anrufen kann, sie ist die, auf die ich mich jederzeit verlassen kann. Sie ist die Beste, die beste aller Freundinnen und sie hat meine Liebe für immer.
Alles Gute zum Geburtstag!
3 Comments for “die Beste”
Die Sprachspielerin » Alltagspoesie | Literarischer Blog
says:[…] wäre das ja nicht das Schlechteste (wenn ich mich recht entsinne, dann stammt dieser Satz von Katl). In diesem Sinne: ich wünsche allen nochmal ein schönes Fest, möge es euch rosarot […]
Die Sprachspielerin » Vorbei!!!! | Literarischer Blog
says:[…] hat! Also vielen herzlichen Dank fürs zahlreiche Daumendrücken (vor allem auch ans Katl und an den […]