Menschen werden für gewöhnlich gerne gestreichelt. Und menschliche Hände können gut streicheln. Hände können über Haare fahren und über Haut, sanft gleiten und streichen, sie können kitzeln, sich sanft anschmiegen oder massieren, sie können ganz leicht drüberhinfliegen oder fester zupacken, Hände sind wie zum Streicheln gemacht. Und Menschen, Menschen sind dazu gemacht, gestreichelt zu werden.
Aristoteles mag damit Recht haben, der Mensch sei ein zoon politikon, ein geselliges Lebewesen, der Mensch ist meiner Meinung nach aber noch etwas anderes: ein zoon streichelikon, ein zum Streicheln und zum Gestreichelt-Werden geborenes Lebewesen, ganz klar!
Und Tiere? Kürzlich beobachtete ich einen Hund, wie er sich an sein Frauchen drängte und den Kopf nach ihr reckte und es sichtlich (leise seufzend) genoss, wie sie ihn kraulte und leicht klopfte, wie ihre Hände durch sein Fell fuhren, wie sie ihn eben streichelte. Das ist ja nun nichts Neues oder Ungewöhnliches, aber erstmals fiel mir doch auf, dass Tiere so etwas ja eigentlich gar nicht können: sich gegenseitig streicheln.
Man mag es Affen ja rein von der Funktion ihrer Vorderpfoten her betrachtet noch zugestehen, sie könnten es motorisch, aber wenn mich nicht alles täuscht, tun sie es nicht: sie streicheln sich nicht gegenseitig, sie lausen sich. Das ist dann ja doch etwas anderes. Und Katzen oder Nagetiere können sich vielleicht gegenseitig lecken und putzen, aber von Streicheln schon anatomisch keine Spur. Und Vögel mit ihren Schnäbeln – nein, das ist kein streicheln. Ganz zu schweigen von irgendwelchen Huftieren, wenn die’s versuchten, würde es wohl eher schmerzhaft.
Nun ja, auch Hunde streicheln einander ja nicht, also einer den andren, ihre Pfoten sind nicht dazu gemacht. Ist es da nicht seltsam, dass sie es dennoch zulassen, wenn sie ein Mensch streichelt, dass sie es mögen und genießen, nach mehr verlangen, immer wieder? Sind Hunde auch zoa streichelika, zumindest passiv?
Und da frage ich mich dann: fehlt den wilden Hunden, den Wölfen da draußen, die einsam durch den Wald streifen, nicht vielleicht eine Hand, ab und zu, die sie streichelt?
6 Comments for “Vom Streicheln”
Norman Liebold
says:Kennst Du den Wolf im Garten? 😀
Ich stimme Dir zwar darin zu, daß der Mensch ein ganz herausragendes zoon streichelikon ist mit einklappbarem Daumen und streicheloptimierter Körperbehaarungsreduzierung, aber ich bin definitiv überzeugt, daß eine ganze Reihe Tiere vielleicht „nur“ Pfoten und Hufe haben, nichtsdestotrotz auch mittels Kopf und Rücken sehr streichelbegabt sind. Auch wenn Sjördje, die alte Friesendame, mich für ein streichel-geeignetes Mitpferd haltend zuweilen ihre Körpermasse unterschätzt. Ihre Lippen jedenfalls sind überaus beweglich, und wie eine Mama findet sie es super, mir den Hinterkopf zu streicheln (oder doch eher knabbern, lutschen, schlabbern, lippisieren?). Naja, vielleicht findet sie auch nur das Kitzeln meiner Haarstoppel angenehm. Sie ist halt kein zoon sprechikon ;-).
Sprachspielerin
says:Ja sicher, mein Kaninchen leckt mich auch immer ab und auf die vortreffliche Möglichkeit, auch mit Lippen und Zungen Zärtlichkeiten auszutauschen, braucht man Menschen ja auch nicht erst hinzuweisen… 😉 Aber ich meinte doch eine engere Definition von ’streicheln‘, also rein ‚händisch‘.
Norman Liebold
says:In der Tat meint auch GRIMM, daß es „bis auf wenige Ausnahmen mit der Hand“ (ibidem) ausgeführt wird, aber man weiß doch schließlich, daß es auf die Art der Berührung ankommt – ganz gleich, mit welchem Bereich des Körpers. Man kann auch mit dem Bauch streicheln, finde ich. Tiere insbesondere bieten da durchaus Lerninhalte. Katzen, zum Beispiel, oder mein Lieblingshund Gay.
Nichtsdestotrotz ist die Hand hier natürlich unübertroffen.
Sprachspielerin
says:Um ehrlich zu sein, ist dies ja ein Bereich, in dem mir Wortgeschichte und Theorie viel weniger wichtig als Praxis erscheinen.
Norman Liebold
says:Zweifelsohne. Und ungelogen zugestimmt.