Tomatendosenmissernte

Geschälte Tomaten in Dosen (kurz: Dosentomaten oder Tomatendosen) gehören ja zu meinen Lieblingslebensmitteln. Ich mache daraus eine einfache Tomatensoße zu Nudeln oder schwäbischen Maultaschen, ein Sugo mit Staudensellerie und Walnüssen oder mit Thunfisch zu den Spaghetti oder ein Ragù, also Bolognese-Soße, manchmal auch Ratatouille oder Hackfleischklösschen in Rotwein-Tomatensauce (schmeckt sehr lecker zur norditalienischen Polent(in)a) oder die Soße auf die selbstgemachte Pizza oder zu gefüllten Paprikaschoten und manchmal kommt auch eine Dose ins indisch angehauchte Curry mit Kokosmilch.

Ich brauche die Dinger also wirklich oft. (Und wer jetzt Appetit bekommen hat, der darf gern nach den Rezepten fragen.) Überhaupt schmecken die Tomaten aus der Dose ja auch viel besser als jene frischen aus holländischen Treibhäusern, die nicht einmal wissen, was Sonne ist und ein wenig nach dem Plastik schmecken, in das sie verpackt wurden. Gerade im Winter sind Dosentomaten die Tomaten der Wahl, sie schmecken das ganze Jahr über gleich und man ahnt immerhin etwas von dem Sommer, den sie erlebt haben müssen.

Nun ist es aber so, dass in meinem örtlichen Supermarkt, einem T.-Mann (der vor ca. zehn Jahren alle anderen Supermärkte im Viertel systematisch verdrängt und aufgekauft hat, so dass es nur noch T.-Filialen im Viertel gibt, dafür aber gleich drei davon in nächster Nähe), dass dort also ungefähr schon die letzten zwei Monate immer wieder die für meine heißgeliebten Dosentomaten vorgesehenen Regalbretter mit gähnender Leere glänzen. Die Tomatendosen der gewohnten Marke gibt es schlichtweg nicht mehr und nur ab und zu tauchen Paletten mit Dosen irgendwelcher anderer, nie-gesehener Marken für kurze Zeit auf, mit denen man sich eindecken kann, das tun aber auch andere Leute und so sind die Dosen schnellstens wieder ausverkauft, aufgekauft, weg sind sie wieder.

Was ist passiert? Gab es dieses Jahr eine Missernte an Tomatendosen? Ich bin ja auch nicht dumm, ich weiß ja, dass Dosentomaten nicht ganzjährig wachsen, auch nicht im Süden, also muss es ja wohl an der diesjährigen Ernte liegen. Was ist also diesen Sommer geschehen? Wollten die Bienen nicht anfliegen und verschmähten die metallisch duftenden Tomatendosenstrauchblüten beständig, statt sie zu befruchten? Gab es ein Bienensterben wegen Schwermetallvergiftung, weil die Bienen die Tomatendosenstrauchpollen nicht vertrugen? Oder sind Tomatendosensträucher gar Selbstbestäuber und es war den ganzen Sommer über absolut windstill?

Herrschte ein solcher Wassermangel in Italien, dass die armen Dosentomatenstauden unter dem Gewicht der schweren Tomatendosen einknickten, geschwächt? Gab es Hagel oder schlimme Unwetter, die die Tomatendosen von den Sträuchern wehten, ehe sie reif waren und die richtige Größe erreicht hatten? Gab es einen schlimmen Schädlingsbefall? Irgendwelche Nagetiere, die es mit evolutionär angepassten Vorderzähnen endlich schafften, sich auf das Öffnen der Tomatendosen am Strauch zu spezialisieren? Oder ein neuer Dosentomatenwurm, eingeschleppt aus Südamerika?

Vielleicht streikten dieses Jahr auch die Tomatendosenerntehelfer (in Italien wird ja ohnehin dauernd gestreikt), so dass die überreifen Dosen herabfielen, aufplatzten und verfaulten? Hat die Mafia etwas damit zu tun? Oder Berlusconi, der die Wiederwahlen schon vorausahnte, seinen kommenden Wahlsieg mit einer großen Tomatenparty feiern will und die Jahresernte deshalb im Land zurückhielt, Italien was den Italienern zusteht oder so?

Irgendetwas muss passiert sein. Steht uns eine Tomatendosenknappheit bevor, gar eine Dosentomatenhungersnot, aber niemand will es schon laut sagen? Ich bin ratlos und verzweifelt.

5 Comments for “Tomatendosenmissernte”

Chrizzo

says:

Oh ja, ich hätte gerne die Rezepte für das Ratatouille und die Hackfleischbällchen in Rotwein-Tomatensauce. 🙂
In Brasilien gibt es übrigens ausreichend Dosentomaten, was vielleicht Deine Theorie mit dem Dosentomatenwurm ein wenig abschwächt, aber Südamerika ist ja mehr als nur Brasilien.

Sprachspielerin

says:

Also zum Ratatouille habe ich eigentlich kein richtiges ‚Rezept‘, aber bei mir macht man das so: gehackte Zwiebel und ausreichend Knoblauch in Olivenöl anbraten, nach Lust und Laune gewürfelte Auberginen, Zucchini und Paprika (rote und/oder gelbe) dazu, braten, dann entweder ein paar frische Tomaten (kann man häuten, muss man aber nicht) oder eben Tomaten aus der Dose dazu (und etwas Wasser, wenn zu wenig Feuchtigkeit dran ist), alles köcheln lassen, bis das Gemüse durch aber noch knackig ist, salzen, pfeffern und mit Kräutern der Provence (oder noch besser: frischem Rosmarin und Thymian) würzen, fertig! Beilagen dazu kann man variieren, egal ob Nudeln, Reis, Kartoffeln oder Polenta… Mmmmmh, wär‘ doch Sommer!

Hackfleischbällchen-Einkaufsliste (4 Pers.):
4 Scheiben Toastbrot
100 ml Milch
50 g rohen, geräucherten Schinken
1 Bund Basilikum oder Petersilie
500-600 g Hackfleisch (gemischt oder Rind)
1 EL Kapern (ich nehm‘ mehr, kann man aber auch weglassen)
2 EL frisch geriebener Parmesan (davon nehm‘ ich auch mehr :-))
1 Zwiebel
1 Karotte
2 Stangen Sellerie
1 kleine Dose geschälte Tomaten
200 ml Rotwein
ca. 10 Salbeiblättchen (geht auch ohne)

So, vom Toast den Rand wegschneiden (oder gleich so Tramezzini-Brot nehmen) und in der Milch einweichen. Dann mache ich immer erst die Soße, damit die länger köcheln kann: Zwiebel, Karotte und Sellerie fein hacken (das gibt zusammen das sogenannte ‚Tritato‘ = Gehacktes, das man als Grundlage für jede Tomatensoße oder auch Bolognese-Soße nimmt), man kann auch noch Knoblauch dazugeben, das Tritato in Olivenöl anbraten und – wieder eine Abwandlung des Originalrezeptes, wo die Hackfleischbällchen gleich in diesem Topf angebraten werden – also stattdessen die Dosentomaten zusammen mit dem Rotwein pürieren und auf das kurz angebratene Tritato schütten, Salbeiblättchen dazu, Deckel drauf, leicht köcheln lassen.
Zeit für die Bällchen und die herrliche Knet-Sauerei: das Toastbrot ausdrücken und fein zerkrümeln/zermatschen, in eine Schüssel mit dem Hackfleisch, dem kleingeschnittenen Schinken (ohne den Fettrand), gehacktem Basilikum/Petersilie, dem Käse und den Kapern geben, salzen, pfeffern und immer losbatzen!!! Bällchen machen (im Kochbuch steht tischtennisballgroß) und diese in Olivenöl anbraten (kann man separat machen oder eben nach dem Gemüse-Anbraten, bevor man die Soße dazugibt), bis sie schön braun sind. Dann Soße dazu oder Bällchen in die Soße und noch 30 Min. köcheln lassen, Soße salzen und pfeffern, fertig!
Am besten schmeckt dazu eine Polentina (also etwas weichere Polenta) und natürlich mehr Rotwein! 😉

So, jetzt aber genug Genuss-geblogt, nachlesen kann man das Ganze (also die Hackbällchen in Rotwein-Tomatensoße) auch hier, was ich insgesamt nur empfehlen kann (auch noch nachdem ich ja länger in Italien gelebt habe): Italian Basics (von Cornelia Schinharl und Sebastian Dickhaut)

Norman Liebold

says:

Ich bitte nicht um Rezepte. Da laß ich mir nicht reinreden und bin schrecklich eigenwillig. Aber trotzdem ich die Vorstellung von Dosentomaten (nicht am Strauche, was mich lachend machte) als Milchbeimbauernambestenselbermelker natürlich abschreckt, erwächst trotzdem (durch die eloquente Darstellung der tomatendosigen Möglichkeiten) eine gourmeatische Begehrlichkeit: So Dir die Idee der duetalen Bühnenverunsicherung im weißblauen Zentrum zusäglich ist – post examina, versteht sich – wünsche ich ausgiebigst bekocht zu werden 😀 . David schaut sich übrigens gerade nach einem Auftrittsschuppen um.

Chrizzo

says:

Ich danke Dir sehr für die Rezepte und den Tip für das Kochbuch! Hört sich schon mal sehr lecker an und wird bei nächster Zeit mal ausprobiert. Polenta und Polentina liebe ich! Heute noch erstere gegessen.

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